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  • Die Anfänge der Fliegerei

    Tauchen Sie ein in die spannende Geschichte der Luftfahrt und entdecken Sie die bahnbrechenden Innovationen, die die Welt des Fliegens geprägt haben.

02.06.2025 17:10

Mr. Phillips und seine fliegende Jalousie

Ein Engländer namens Horatio Frederic Phillips beschäftigte sich 1884 speziell mit einem speziellen Problem der Aerodynamik - den gewölbten Flügelflächen.

Während Aleksander Moshaisky und seine Vorgänger noch mit geraden Flügelflächen experimentierten und unendlich viele Versuche unternahmen, arbeitete der Engländer Horatio Frederic Phillips (1845 -1926) bereits 1884 an dem wichtigsten aeronautischen Problem in der Entwicklung des Flugapparatebaus.

Erste Versuche in einem Windkanal 

Phillips bestätigte mit einer damals weltweit einmaligen Untersuchungsmethode die 90 Jahre alten Theorien des Engländers George Cayley und machte an jenem Punkt der theoretischen Luftfahrtentwicklung weiter an dem Francis Wenham aufhörte. Phillips baute einen kleinen Windkanal im Auftrage der  Aeronautical Society of Great Britain und leitete einen Luftstrom mit Rauch über verschieden geformte Flächenprofile. Er fand heraus, dass der Rauch verschienartig an Ober– und Unterseite der Flächenprofile vorbeiströmte. Er machte unzählige Versuche mit unterschiedlich geformten Profilen und bewies letztendlich Cayley`s und Wenham`s Theorien durch seine praktischen Versuche.

Gewölbte Flächenprofile erzeugen mehr Auftrieb als gerade Flächen

Die wichtigste Erkenntnis aus seinen Versuchen war, dass der durch gewölbte Tragflächen- Profile erzeugte Auftrieb  die Definition der alles bedeutenden Kraft bei der Bewegung eines Flugapparates ist. Phillips fand außerdem heraus, dass die umströmende Luft an der Unterseite eines gewölbten Profils je nach Größe der Wölbung einen Druck von unten nach oben (Überdruck) auf die Tragflächenunterseite erzeugte und somit die Fläche nach oben drückte. Gleichzeitig aber auf der Oberseite der Tragfläche an der stärksten Wölbung ein Unterdruck (Sog) entstand, der in der Lage war die gesamte Fläche nach oben zu ziehen. Hier wirkten also zwei Kräfte in die gleiche Richtung, und zwar nach oben,  wobei der Unterdruck auf der Oberseite der Fläche den größeren Anteil der Auftriebkraft erzeugte. So wurde die Strömungstheorie von Daniel Bernoulli durch praktische Versuche bewiesen. Ebenso wie Wenham stellte Phillips fest, dass eine große Flügelstreckung sich günstiger auf das Verhältnis zwischen Auftrieb und Flächenwiderstand auswirkt und der Auftrieb an der Vorderkante des Flügels am stärksten ist.


Der erste echte Tragflügel

Phillips führte fast neun Jahre lang Tests mit verschiedenen Profilformen durch und ließ davon 8 Formen im Jahr 1884 mit der Bezeichnung: „Blades for Deflecting Air“ und der Nummer 13768 patentieren.

Im Rahmen seiner   weiteren Experimente entstand ein noch effizienteres Flügelprofil, welches er sich im Jahr 1891 patentieren ließ.

Heute wird von vielen Luftfahrthistorikern dieses Profil als der „erste echte Tragflügel“ und für die damalige Zeit als „Spitzentechnologie“  bezeichnet. Die Ergebnisse der Tests wurden erstmalig in der Ausgabe Nr.40 vom 14.08.1885 im Journal Engineering  veröffentlicht.

Ein Multiplane oder eine venezianische Jalousie auf Rädern

Um seine Kenntnisse   in der Praxis auch zu beweisen, baute Phillips in der darauf folgenden Zeit eine Reihe von Versuchsapparaten, die aber keinerlei Ähnlichkeit mit einem Fluggerät hatten. Das war auch so beabsichtigt. Sehr stark beeinflusst durch die Theorien Wenham`s baute er 1893 seinen ersten  sonderbar anzuschauenden Tragflächen -Testapparat. Er nannte es „Multiplane“ und es sah aus wie eine venezianische Jalousie auf Rädern. Das komplette Tragwerk war in einem Stabilisierungsrahmen eingefasst, hatte eine Breite von   ca. 6,75 m und war ca. 2,90 m hoch. Das Tragwerk bestand aus 50 schmalen Tragflächen, welche 3,8 cm tief und mit einem Abstand von 51 mm übereinander, wie bei einer Jalousie, im Rahmen befestigt waren. Die Flügelfläche betrug insgesamt 12,60 m².

Der ganze Tragrahmen war auf eine Art Trailer montiert. Dieser  dreieckige, bootsförmige Untersatz bewegte sich auf drei Rädern und war ca. 7,60 Meter lang.  Tragwerk und Antriebsmaschine befanden  sich auf dem hinteren stumpfen Ende des  Fahrwerks. Der Antrieb bestand aus einer 5,6 PS leistenden Dampfmaschine, die dem zweiflügligen Propeller 400 Umdrehungen pro Minute verlieh.  Der Durchmesser des Propellers betrug 1,83 m. Der gesamte Apparat wog 149,7 kg, wobei die Dampfmaschine allein schon über 90 kg schwer war.

Tests auf einer kreisrunden Holzbahn

Der Test wurde auf einer kreisrunden Holzbahn, ähnlich der bei den Versuchen von Tatin, mit einem Umfang von etwas mehr als 190 m durchgeführt. Das Gerät war an zwei Punkten mit einem Seil verbunden, deren Enden im Mittelpunkt des Kreises an einer drehbaren Halterung befestigt  wurden. Das Vorderrad wurde so ausgerichtet, dass es stets die kreisrunde Spur halten konnte.

Beim ersten Versuchslauf wurde eine zusätzliche Last von  32,6 kg hinzugefügt, sodass die Gesamtmasse jetzt 182,3 kg betrug.

Ergänzend muss noch bemerkt werden, dass Phillips’  Versuchsgerät ein großes Modell war, das nicht zum Tragen einer Person konstruiert wurde. Wenn man das Modell betrachtet sieht auch der Laie, dass Phillips sich nur auf die Erprobung seiner gewölbten Flächen konzentrierte.  Das Testgerät war noch lange kein Flugapparat, stellte aber ein weiteren wichtigen Schritt in der Erforschung  der  Aerodynamik und zum Bau eines Flugzeuges dar.  

Mehr…

Das Testgerät schwebt in der Luft

Das erste Experiment zeigte eigentlich das was Phillips theoretisch bereits herausgefunden und begründet hatte. Als das Testgerät eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht hatte, hoben die beiden hinteren Räder, welche die Hauptlast zu tragen hatten, von der Laufbahn ab und schwebten ca. 60 – 70 cm über dem Erdboden. Hiermit stand außer Zweifel, dass der Apparat in der Lage war aus eigener Kraft mit zusätzlicher Ladung aufzusteigen.

Beim zweiten Versuch wurde die Zuladung um 7,25 kg gesenkt. Auf der Kreisbahn hob das Testgerät bei ca. 45 km/h ab und legte ¾  der Kreisbahn in der Luft zurück. Mit diesem Versuch wurde eindeutig das selbstständige Aufsteigen und Halten einer Höhe x mit einer Zuladung, in diesem Fall etwas mehr als 7 kg, bewiesen. Eine Flugfähigkeit konnte diesem Gerät natürlich nicht bescheinigt werden.  Alle den Flug stabilisierende  Maßnahmen waren nicht vorhanden. Das war auch nicht Sinn dieses Experiments!

Phillips wollte ausschließlich die Auftriebswirkung seiner gewölbten Flächen praktisch beweisen, und das hat er mit seinen Versuchen getan. Ihm ging es nicht in erster Linie um den Bau eines modernen Flugzeuges sondern um die praktische Umsetzung seiner Windkanalversuche.  Natürlich hatte diese Testreihe nur einen rein theoretischen Charakter, aber seine Erkenntnisse waren wegweisend für den Bau modernerer Flugapparate.

Lest bitte auch den zweiten Teil über Phillips und seinen Mehrflächen-Flugapparaten !!!!

 

Weniger…
Horatio Frederic Phillips
Phillips erster »Multiplane« 1893
Patentierten Flügelprofile 1884
Versuchsstrecke aus Holz (Kreisform) auf der die fliegende Jalousie getestet
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